Walter, unser Bücherkönig, hat mir etwas Wichtiges anzuvertrauen. Dieser kleine, quecksilbrige und jugend- lich aussehende Hannoveraner ist der erklärte Liebling der meisten Beamten. Es gibt nichts im Hause, was er nicht nach 24 Stunden weiß. Und sein Einfluß auf den Gang der Ereignisse wird im letzten Kriegsjahr in der Praxis größer sein als der des Regierungsrates. Endlich gelingt die Unterredung. Sie findet in: gedämpfter Tonart statt. Oefters blicken wir uns um, ob nicht Unberufene in der Nachbarschaft aus einem dunklen Gang oder Treppenhaus auftauchen.

Ich habe eine Entdeckung gemacht, Walter ist sicht- lich erregt.Du scheinst ein Vergnügen zu finden, mich auf die Folter zu spannen. Ich weiß, daß Walter Spengemann Neuigkeiten nur unter brutalem Zwang preis- gibt. Er erinnert mich an das Bibelwort:Da ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine.

Also, heraus mit der Sprache.

Ich habe denGiftschrank gefilzt und grandiose Ent- deckungen gemacht, flüstert er. Nur wenige Einge- weihte wissen, daß derGiftschrank das Allerheiligste der Bücherei ist: Verbotene und daher ausgeschiedene Bücher, die aus unerklärlichen oder sagen wir einmal genauer: aus begreiflichen Gründen nicht eingestampft wurden.

Rate, was es noch gibt!" Ich bin ahnungslos wie ein Lamm.Sinclair Lewis: Die Landstraße crescendo Upton Sinclair : Petroleum appassionatound den ganzen Heine! Das ist wirklich großartig. Wir bereden die Ausleihmethoden und wer in Frage kommt als Bezieher. Bald sind die Formalitäten erledigt.

Weißt du, Walter, frische ich alte Erinnerungen auf. Ich staune bisweilen über die Borniertheit der Faschisten. Unser Nazilehrer in Wolfenbüttel z.B. war bestimmt kein Dummkopf, aber er hatte eine Schwäche für Adelige. So ließ erDie Memoiren eines Revolutionärs ruhig in der

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