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Frankreich erschienen nicht mehr gesichert genug, und so kamen jetzt immer häufiger große Transporte aus Compiègne und anderen Lagern im Westen an. Um eine Flucht während des Transportes unmöglich zu machen, waren die Gefangenen mehrfach bis auf Hemd und Unterhose ausgezogen worden. Die meisten dieser Massentransporte blieben nicht im Lager Buchenwald , sondern gingen nach kurzer Quarantäne weiter in die Außenkommandos. Einschließlich dieser unter seiner Verwal­tung stehenden Außenkommandos zählte am 1. Januar 1944 das Lager Buchenwald 37 000 Häftlinge, am 1. Juli 1944 waren es schon 61 000.

Die Pferdeställe des Kleinen Lagers waren längst bis zum Bersten überfüllt, und so mußten wieder einmal neue, primitive Notunter­künfte geschaffen werden. Es entstand das Zeltlager, wo über 5000 Häftlinge in Zelten untergebracht wurden. Die Lagerleitung zeigte sich als gänzlich uninteressiert, die Frage der Unterkunft der Häft­linge zu lösen. Alle Vorstellungen der Lagerfunktionäre, der Hinweis auf die erhöhte Seuchengefahr, die auch der SS und der Zivilbevölke­rung der Umgebung drohte, blieben vergeblich. Der Lagerkomman­dant erklärte nur achselzuckend, er habe keine Möglichkeit, diese Zu­stände abzustellen. Es blieb den Häftlingen überlassen, sich so gut als möglich selbst zu helfen; von den Baustellen der Buchenwalder Rü­stungsbetriebe wurde Baumaterial organisiert, um wenigstens not­dürftige Baracken an Stelle der Zelte zu setzen. Aber alles das blieb nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. In jedem der Pferdeställe des Kleinen Lagers waren 1200 bis 1500 Häftlinge zusammengepfercht. In den Blocks des großen Lagers lagen zwei Mann in einem schmalen Militärbett und lösten sich oft in Tag- und Nachtschichten beim Schla­fen ab.

Besonders groß war unter diesen Umständen die Gefahr der Ver­lausung und Verschmutzung des Lagers. Dabei gab es nicht einmal genügend Wasser. Die SS hatte in bekannter nationalsozialistischer Großspurigkeit eine große Stadt auf einen Berg gebaut, ohne sich den Kopf über die Wasserversorgung zu zerbrechen. Die angelegte Wasser­leitung war schon bei der normalen, ursprünglich geplanten Belegung des Lagers unzureichend. Schließlich aber zählte das Lager fünfmal so viel Insassen, als anfänglich vorgesehen war, dazu kam der Ver­brauch der SS - Kasernen und Betriebe, die bevorzugt versorgt wurden. So gab es bestenfalls 1-2 Stunden am Tage Wasser, oft aber tagelang

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