Briefe bei sich, die auf eine Beihilfe zur Flucht hinweisen. Ich verhänge deshalb über das Lager eine kollektive Strafe. Das Mittagessen wird schlech- ter, die Brotrationen werden gekürzt. Fünf Mann erhalten in Zukunft nur noch ein Brot pro Tag(1 Brot= 1500 g). Jeglicher Einkauf ist ab sofort gesperr‘ Meine Anordnung bleibt bis auf weiteres in Kraft.“ Der Hunger stieg bei der schweren Arbeit ins Unermeßliche. Die Frage wurde immer häufiger:„Wann bekommen wir wieder unsere normalen Portionen.“ Ein Kamerad erzählte mir etwa zwei Wochen nach der Koch’schen Verordnung: ‚Ich habe heute geträumt, morgen gibt es wieder normale Portionen“. Der arme Kerl hat die vollen Portionen nicht mehr erlebt, denn erst zu Weihnachten, also sieben Wochen später, gab es wieder für drei Mann ein Brot. Zu dieser Zeit fragte sich jeder, gibt es denn keinen Ausweg mehr für uns aus diesem faschistischen Elend, müssen wir denn alle umkommen? Auch ich hatte derartige Gedanken.„Du, Artur“, sagte ich zu einem meiner Kameraden,„morgen mache ich Schluß. Wenn ich mit dem SS-Posten Kaffee- holen gehe, nehme ich ein Beil mit unter dem Vorwand, das Beil zum Schleifen zu bringen, und erschlage den Posten. Dann mache ich einen Amoklauf gegen die SS-Banditen...‘“ Mein Kamerad war ein Mann, der etwas weiter schaute als ich, und antwortete mir:„Junge, mache keine Dummheiten, Du hast noch größere Aufgaben zu erfüllen als Dein junges Leben zu opfern. Und dann überlege Dir die Repressalien für das Lager. Man würde danach vielleicht 50 Kameraden erschießen, um ein Exempel zu statuieren. Und Hunderte würden an den Schikanen sterben.“ Ich habe daraufhin meinen Entschluß fallen lassen. Nicht um mein Leben zu schonen, sondern das meiner Kameraden. Die Vernunft siegte. In dieser Situation überlegten wir uns natürlich, wie wir uns selbst helfen könnten. Eine der beliebtesten Methoden der Lagerführung war es, die Häftlinge „gegeneinander auszuspielen. Wir politischen Häftlinge organisierten uns bezirksweise und kamen in kleinen Gruppen zusammen. Wir untersuchten die Lage im Lager. Erstens, welche Kategorien Häftlinge befinden sich im Lager, zweitens, wie haben wir uns gegenüber den Kriminellen zu ver- halten? In der Mehrzahl waren die politischen, meistens Kommunisten und Sozialdemokraten, dann kamen die kriminellen Häftlinge und schließlich verkrachte Naziexistenzen. Wie könnte man alle anständigen Elemente zu einer Zusammenarbeit zur Ver- minderung aller Verbrechen im Lager gewinnen? Zu gleicher Zeit informierten wir uns gegenseitig über die politische Lage in Europa und der übrigen Welt. Die Lagerältesten waren BV-Häftlinge, die Blockältesten, Capos und Vorarbeiter mit einzelnen Ausnahmen ebenfalls 9


