einmal an Ihren Bruder. Denken Sie an Ihre Zu­kunft." Er bewilligte mir einen Extrabrief, damit ich auch an Horst, meinen Mann, schreiben könnte. Dann fragte er mich: ,, Und nun sagen Sie mir die Namen?"

,, Sie wissen doch, daß ich die Namen nicht sagen werde. Sie würden Ihre Freunde ja auch nicht verraten!"

,, Es wird Ihnen aber schaden!"

,, Mir kann gar nichts mehr schaden. Meine Lage ist hoffnungslos!"

Beim Verlassen der Zelle sagte er mir: ,, Ihre Sache ist der Staatsanwaltschaft übergeben. Sie werden in den nächsten Tagen in Untersuchungs­haft kommen. Ihnen wird der Prozeß gemacht, Sie werden verurteilt werden. Die Gestapo Karlsruhe , als deren Vertreter ich Sie verhaftet habe, wird nicht den Antrag stellen, Sie nach verbüßter Frei­heitsstrafe in Schutzhaft zu nehmen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß das Reichssicherheits­hauptamt in Berlin Sie in Schutzhaft nimmt."

Am 24. Januar erhielt ich einen Strafbefehl: Sechs Monate Gefängnis wegen Beihilfe zum Grenz­übertritt.

Mit Todesstrafe hatte ich gerechnet! Monate Gefängnis erhielt ich!

Sechs

Ein Vorhang, den ich endgültig gefallen glaubte, öffnete sich. In greifbarer Nähe stand die Freiheit. Schauer der Freude durchschüttelten mich. Freuden­tränen tropften in meinen Kohlrübenbrei.

Strafgefangene durften nach der Gefängnisord­nung keine privaten Bücher haben. Ich erwirkte trotzdem die Erlaubnis, Mathematik- und Ge­schichtsbücher zu haben. Zehn Stunden lang klebte ich Tüten. Es war eine einfache, beruhigende Be­

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