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Rudi Weinberg war ein Mensch, für den nur die politische Aufgabe existierte. Nichts anderes hatte daneben Gewicht. Ein Spaziergang durfte nur ge­macht, ein Theater nur besucht, ein Buch nur ge­lesen werden, wenn es politisch förderlich war. Sein eigenes Geld betrachtete er als unser Geld. Er gab es wie ein sorgsamer Verwalter für eigene Zwecke nur aus, soweit dies unbedingt notwendig war. Rührend waren die elenden Schlipse, die schäbigen Hemden, die er sich von seinem Gelde allein zu kaufen wagte. Rührend waren auf meinen Rat seine Versuche ,, zur Lebensfreude um der politischen Leistung willen", Versuche in Gestalt kleiner, schä­biger Blumensträuße, die gelegentlich auf seinem Arbeitstisch auftauchten. Bewundernswert war seine Tageseinteilung; 8 Stunden Fabrikarbeit, 2 Stunden Fahrzeit, 1 Stunde für Essen, Waschen und sonstige notwendige Verrichtungen, 6 Stunden Schlaf, 7 Stunden politische Arbeit, lesen, schreiben. Am Sonntag: 2 Stunden Spaziergang und statt der Fabrikarbeit politische Arbeit. Es existierte für ihn nichts, was Gewicht hatte, außer dem Kampf für den Sozialismus.

Nachdem Rudi Weinberg die juristische Ausbil­dung versperrt war, ging er in einer Schlosserei in die Lehre. Später arbeitete er als Werkzeugmacher in einem Betrieb. Mit einigen sozialistisch einge­stellten Arbeitern hielt er die Verbindung. In seiner Freizeit arbeitete er an einer Untersuchung über die Verflechtung der deutschen Konzerne und deren Beziehungen zu den politischen Spitzen.

Er war davon überzeugt, daß ich politische Ver­bindungen hätte. Er beschwor mich, ihn mit meinen Freunden zusammenzubringen. Er drohte, er werde sich das Leben nehmen, wenn ich ihm seinen Wunsch nicht erfülle. Er wurde uns ein treuer Mit­arbeiter.

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