DER LAGERTAG
Was schlägst du, Herz im Häftlingskleid, für einen müden Takt, gleich einer kranken Uhr! Ein jeder Schlag gräbt eine wehe Spur
ins grenzenlose Ödland dieser Zeit.
Nichts blüht in ihr, durch unfruchtbaren Sand zieht sie sich hin und weiß von keinem Ziel, nur manchmal rührt des Traumes Geisterhand an dem schon lang verstummten Glockenspiel. Dann löst sich zag ein Klang und zittert fort in meinem Ohr, doch hält ihn kaum mein Sinn, denn ohne Echo ist der schlimme Ort,
an dem ich Schatten unter Schatten bin.
Es reiht der Tag sich friedlos an den Tag,
es reiht die Nacht sich ruhlos an die Nacht— und was das Heute aus dem Morgen macht, ist eine Glocke ohne Klang und Schlag,
ist tot und stumm, ein unbeherztes Ding,
ein Schemen nur, das eine Kette trägt,
die marterschwer als neuer Jahresring
sich um die alten Jahresringe legt.
Es buchstabiert dein Mund das Alphabet
der Mördersprache, die kein Amen kennt,
aus ihren Lauten formt sich kein Gebet,
kein Lobgesang, der Gottes Namen nennt;
ein irrer Fluch ist alles, was die Kunst
der Elendssprache deiner Sehnsucht schenkt— und das Gezeter ekler Männerbrunst,
das sich wie Hohn an jede Regung hängt.
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