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MEILENSTEINE EINER KAMERADSCHAFT
Zu der Kategorie von Mitgefangenen in Neuengamme , von denen man, ohne das Wort zu mißbrauchen, wirkliche Kameradschaft erwarten konnte, gehörte gehörte Czetwertinsky. Genau genommen hieß er Fürst Jedzy Swiatopelt Czetwertinsky, aber sein polnisches Adelsprädikat war eine gefährliche Beigabe, und im Interesse seiner Sicherheit blieb es besser geheim. Sein Vater war im Konzentrationslager Auschwitz ums Leben gekommen. Ich nannte ihn Georges, denn unsere erste Unterhaltung ging auf Französisch vor sich, und diese Sprache ermöglichte es uns auch, uns gegenseitig das Herz auszuschütten und Nachrichten von den Fronten auszutauschen, ohne, wie sonst immer, Gefahr zu laufen, belauscht und verraten zu werden.
In den ersten Tagen nach meiner Ankunft im Lager saẞ ich einmal mit ein paar gebrochenen Fingernägeln da und sah mich nach einer Schere um, weil ich noch keine Übung darin hatte, mir die Nägel sauber mit den Zähnen abzurunden. Es schien ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen zu sein, denn Scheren waren knapp. Höchstens ein„ Kapo " oder eine sonstige deutsche ,, Respektsperson" pflegte Sorgfalt auf seine Toilette zu verwenden, und bei ihnen konnte man im allgemeinen nicht auf kameradschaftliche Hilfe rechnen. Der Zufall kam mir zu Hilfe. Ein Deutscher, der auf Trinkgelder aus war, bemerkte meine Verlegenheit und machte mich darauf aufmerksam, daß der ,, Fürst" eine habe.
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,, Der ,, Fürst"? Was ist denn das für ein seltsamer Herr, der hier mit so einem Namen angibt?" fragte ich skeptisch und etwas argwöhnisch. Ob ich etwa nicht glaubte, daß es im Block einen ,, Fürsten " gab? Wenn er etwas von meinem ,, Einkauf" in der nächsten Kantine abbekäme, dann würde, er den scherenbesitzenden Fürsten gleich einmal heranholen. Unverzüglich verschwand der Mann hinter dem
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