im ganzen Lager herumgesprochen. Man bewunderte an der Haltung des pommerschen Bauern seine schlichte Einfalt und seinen männlichen Bekennermut, in dieser Weise vor dem Kommandanten Zeugnis abzulegen, der ihn zu jeder Strafe und jeder Quälerei verurteilen konnte. Daß er so fest bei seiner Überzeugung blieb und der Versuchung widerstand, die Freiheit anzunehmen, nur um den endlosen Qualen des Konzentrationslagers zu entgehen, das erregte überall große Bewunderung. Das tat dem Herzen wohl und stärkte den Mut zum Aushalten. Besonders durch die heimliche Schadenfreude, die offensichtliche Verlegenheit der verhaßten Machthaber von der SS und durch die unbeabsichtigte Tröstung, die aus der unerschütterlichen Geduld des Bibelforschers strahlte. Niemand jedoch sprach davon, daß in diesem Christentum ein menschliches Bedürfnis und deshalb auch eine Macht ihren Ausdruck fand, vor der die Gestapo mit ihrer Gewalt-, herrschaft völlig wehrlos dastand, eine Macht, die tatsächlich aller Willkür und Verschlagenheit des gegenwärtigen Systems eine Niederlage beibrachte und dadurch der Würde der und der Persönlichkeit, Gedankenfreiheit menschlichen Willensfreiheit zum Siege verhalf. Vielleicht fühlten einige etwas davon, aber geäußert wurden solche Gedanken nicht, die in den ermüdeten und immer gehetzten Gemütern auch nur vage Umrisse hätten annehmen können. Das letzte Mal, als ich Raddatz sah, zu Beginn des Jahres 1943, ging er schon ganz gebückt und sah abgekämpft aus. Aus Selbsttäuschung heraus und in dem Wunsch, ihm Mut zuzusprechen, rief ich ihm zu: ,, Ernst, jetzt kommen wir in die Heimat!" Aber er machte nur eine abwehrende Handbewegung und antwortete: ,, Meine Heimat ist hier!"
Ganz anders als Raddatz, aber in seiner Art auch ein Paladin der menschlichen Überlegenheit über das rein Materielle, der auch auf verlorenem Posten die Ehre der Menschheit hochhielt, war Heinrich Schwerger, ein Mann aus Köln . Er hatte bereits acht Jahre Konzentrationslager hinter sich. Bevor er als Nr. 32 nach Neuengamme kam, hatte er das Elend der grausamen Anfangszeit in Oranienburg durchkosten müssen, das später zum großen Lager Sachsenhausen ausgebaut wurde, und ihm war es dann auch gelungen, seine Feuerprobe bei den Moorkultivierungsarbeiten von Esterwegen zu bestehen. Er war nur klein, aber zäh und muskulös. Als ,, Grüner " hatte er immer den Mund voller Kraftausdrücke,
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