Schutz gegen Regen und schlechtes Wetter, die seinen Ar­beitern selbstverständlich gewährt wurden. Abends kam er oft in die Kartoffelschälküche, um Steckrüben oder Kar­toffeln zu schälen. Dort war ich mit ihm als meinem Nach­barn und dem Westphalen Heinrich Gerlach, auch einem Bibelforscher und dazu einem Mann, der Gutes tat, wo er nur konnte, häufig zusammen.

Ernst war groß und stämmig, außerdem stark wie ein Bulle. Für seinen entsprechend großen Magen war der tägliche Verpflegungssatz nichts anderes als eine Hungerkur. Daß er sie mit dem kleinen Teller voll übriggebliebener Suppe, die als Belohnung für nächtliche Überstunden aufbewahrt wurde, ergänzen wollte, war wohl der tiefere Grund dafür, daß er sich freiwillig zu dieser Zwangsarbeit meldete. Aber Ernst verfiel nie in die anmaßende Aufdringlichkeit, mit der die anderen freiwilligen Zwangsarbeiter sich um ihre Portion bemühten. Wenn er nichts abbekam, dann ging er weg, ohne zu murren. Er sprach selten ein Wort, Neid schien ihm völlig fremd zu sein. Trotzdem konnte er gut erzählen, wenn man ihn einmal zum Reden gebracht hatte. Dann sah man, daß der Mann in seinem Glauben lebte. Dadurch vermochte er seine Sorgen und sein Heimweh mit einer Ergebenheit und Gelassenheit zu ertragen, die ihm inneren Frieden gab.

Eines Tages wurde Raddatz zum Kommandanten ins SS - Lager befohlen. Ich hörte, daß man ihm die Freiheit und die Heimkehr angeboten hatte, wenn er eine Erklärung unterzeichnete, daß er keine Gewissensbedenken mehr geltend machen würde. Man verlangte von ihm nicht einmal, daß er seinen Glauben verleugnen sollte, sondern die Erklärung sollte nichts anderes sein als eine formale Rechtfertigung seiner Entlassung, die im Gegensatz zu den gesetzlichen Be­stimmungen des Reichs gewährt werden sollte. Aber er hatte abgelehnt, sich die Freiheit wiedergeben zu lassen.

Am nächsten Tage fragte ich ihn: ,,, Ernst, was war denn los?" Und er erzählte mir diese einfache Geschichte:

,, Beim Kommandanten lag ein Brief von meiner Frau. Ich sollte ihn gleich lesen. Sie schrieb darin, sie wisse ganz genau, daß ich freikäme, wenn ich nur eine Erklärung unter­zeichnete, mich nicht länger gegen die Erfüllung meiner Wehrpflicht sträuben zu wollen. Bauern würden gebraucht, und von mir verlangte man nichts anderes, als zurück­zukommen und meinen Hof wieder zu übernehmen.

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