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tige Nase, ein breiter, energischer Mund bestimmen das Gesicht, das glatt ist, trotz der vielen, aber außerordentlich feinen Fält­chen an den Augen und Mundwinkeln. Miesicke schätzt ihn auf Mitte vierzig und tippt auf Geschäftsführer oder Prokurist. Wie der Fremde seinen Blick ein wenig seitwärts nach einer kupfer­grünen, schlanken Kirchturmspitze wendet, begegnet er Miesickes Blick. Der läßt die Gelegenheit nicht entschlüpfen.

,, Guten Tag! Sie sind wohl fremd hier?"

,, Guten Tag! Ein herrliches Wetter heute."

Das war ja nun nicht die richtige Antwort auf Miesickes Frage, doch er ist viel zu eifrig darauf bedacht, das angeknüpfte Ge­spräch weiterzuspinnen, als daß er es bemerkte. Und da der Blick des Fremden an Miesicke vorbei immer noch auf den in der grellen Sonne leuchtenden Turm gerichtet ist, dreht auch er sich danach um und erläutert: Die Petrikirche!"

Der Fremde dankt kopfnickend.

Gotischer Stil! Nordische Backsteingotik! Napoleon hat sie als Pferdestall benutzt. Dann brannte sie nieder. Beim großen Ham­burger Brand nämlich. Doch sie ist ganz nach dem Original wieder errichtet worden!"

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Wirklich eine sehr schöne Kirche!"

,, Die daneben, die dort, das ist die Jakobikirche. Die ist alt, uralt!"

Der kleine, flache, weiße Alsterdampfer biegt bei. Sybille" steht an seinem Bug. Der Schiffstelegraph schrillt, und die Schraube wirbelt schaumiges Wasser auf. Die Passagiere drängen nach den Ausgängen. Der Kontrolleur springt an Land, wirft das Schiffstau um den eisernen Poller am Kai und ruft: Jungfernstieg ! End­station!" Miesicke weicht nicht von des Fremden Seite, obwohl er merken müßte, daß der sich nicht im geringsten um seine Be kanntschaft bemüht. Mit festen, sicheren Schritten schreitet der

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