Der vergitterte Schubwagen der Reichsbahn rollt auf den Schienensträngen gen Weimar . In den kleinen Einmann- Zellen stehen eng aneinandergepreßt fünf und sechs Häftlinge. Der schmale Gang zwischen den Zellen ist mehr als überfüllt. Die Türen zu den Zellen sind geöffnet, damit auch dieser Platz ,, zweckmäßiger" ausgenutzt werden kann. Wir vermögen uns buchstäblich nicht mehr von der Stelle zu rühren, nur den Kopf können wir noch bewegen. Die Luft im Wagen ist bald derartig verbraucht und stickig, daß unser Atem schnell und stoßweise geht. Der Schweiß steht uns auf der Stirn, trotzdem es draußen bitterkalt und der Wagen nicht geheizt ist.
In Halle hatten wir noch einigermaßen Platz im Wagen, aber unser Schubtransport hat die ganze Gegend mitgenommen, und in Merseburg , Leipzig , Weißenfels und Naumburg sind immer neue Trupps in unsere Wagen gepfercht worden.
Als wir dann endlich in Weimar aus dem Wagen geholt werden, ist es mir zumute, als käme ich aus dem tiefsten Verließ der Erde plötzlich ins Lichte, aus einer engen, stickigen Höhle plötzlich in die reine Luft der Freiheit. Ich vergesse einen Augenblick ganz mein Schicksal, aber nur einen Augenblick, einen köstlichen Augenblick lang, denn schon fällt. mein Blick auf den engen Polizeikordon, der uns in Empfang nimmt und uns nun auf eine der Treppen nach den tiefer gelegenen Unterführungen leitet. Hier müssen wir haltmachen.
Ein Polizeioffizier, von zahlreichen Polizisten umgeben, hält eine kurze Ansprache: ,, Wer einen Fluchtversuch unternimmt oder auch nur irgend etwas tut, was als Fluchtversuch gedeutet werden kann, wird sofort erschossen. Wir sind nicht gewohnt, lange zu fackeln. Sie haben auf der Stelle alles zu tun, was von Ihnen verlangt wird. Jede Gehorsamsverweigerung wird unnachsichtlich geahndet. Was das bedeutet, werden Sie bald erfahren. Beklagen Sie sich nicht über Ihr Schicksal, Sie sind selbst schuld daran. Wir werden Sie jetzt schubweise abtransportieren. Nur die von einem Polizeibeamten Aufgeforderten dürfen sich von der Stelle bewegen, alle anderen bleiben auf der Stelle stehen."
Als die Reihe an mich kommt, legt ein Polizist die Knebelkette um mein Handgelenk und führt mich zu einem Polizeiauto, wie es früher von den Überfallkommandos benutzt wurde. Die Reihenbänke sind von einem derben Persenning überdacht und seitlich verdeckt. In der ersten und letzten Bankreihe stehen Polizisten. Auch die Randsitze in den Bankreihen werden von Polizisten eingenommen.
Plötzlich ein Kommando von vorne: ,, Achtung, Augen hierher! Der Blick ist geradeaus nach vorn zu richten! Wer den Kopf auch nur einen
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