ahne, der es bestimmt nicht billigen würde, daß sie von Gaunern um ihr Vermögen gebracht wurde und jetzt im K.Z. zugrunde gehen müsse, wurde von den Kommunisten grün und blau geschlagen. Beim Austeilen von Essen, Seife, Wäsche usw. wurde sie oft benachteiligt. Die meisten Austeilposten waren von Kommunisten besetzt, die eine zielbewußte Personalpolitik trieben. Infolge ihrer Energie wurden sie von selbst in diese Posten gedrängt.

Ruth Steingräber, die als Sekretärin in der Verwaltung von Seyß-Inquart in Holland gearbeitet hatte, ein durch und durch lauteres Menschenkind, das wisgen Auslandssenderhörens von neidischen Kol- leginnen denunziert worden war, erklärte im vollen Ernst, sie werde einmal ihre Kinder jesuitisch erziehen lassen, die evangelische Erziehung

lasse den Menschen kindlich-naiv für seine Ideale verbluten, ohne ihm die Augen für die Taktik des Gegners zu öffnen, der über diese Dumm- heit, die ihm nur willkommen sei, spotte.

In Tübingen traf ich im März 1945 Ruths Schwägerin, Dr. 2 dent. Steingräber, die sofort Schritte bei der Gestapo einleitete, als ich ihr wie ich das auch zahlreichen Angehörigen anderer Häftlinge gegenüber schriftlich getan hatte mitteilte, daß seit Februar auf Beantragung hin täglich viele aus dem K.Z. entlassen würden. Da man im Lager be- reits den Donner der russischen Geschütze hörte, mußte mit einer bal- digen Auflösung des Lagers gerechnet werden.

Von keiner der Kameradinnen habe ich seither etwas gehört. Möchte diese Schrift ein Weckruf sein, daß wir einander suchen und wiederfinden und in dem Sinne aufbauend wi.ken, wie wir es einander gelobten. Wenn wir nach schlaflosen Nächten, durchgefroren vom Zählappell, uns an die Arbeit setzten und gegenseitig aufrichteten, so dauerte es meistens eine Stunde bis die Geister wieder zu sich kamen und die verzweifelte Stimmung gewichen, Zank und Streit beigelegt waren. Dann aber trugen wir auch die Schauspielerin Werner wirkte hier mit klassische Sachen vor, die für viele der Frauen ein erstmaliges großes Erlebnis be- deuteten: Monologe aus Iphigenie , Faust , Jungfrau von Orleans , Maria Stuart oder das Lied des Harfners aus Wilhelm Meister , das tiefe Empfin- dungen auslöste:Wer nie sein Brot mit Tränen, wer nie die kummer- vollen Nächte auf seinem Bette weinend saß, der kennt Euch nicht, Ihr himmlischen Mächte! Ihr führt ins Leben uns hinein, Ihr laßt den Armen schuldig werden. Dann überlaßt Ihr ihn(der Pein, denn alle Schuld rächt sich auf Erden. Ebenso als Antwort darauf das Symbo-

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