„Was kann mir noch geschehen, ich habe alles mit durch. Ihr könnt mich nicht umbringen. Die ganze Welt soll mich hören!“ Er wurde wieder auf dem Bock durchgepeitscht und nach seiner Zelle gebracht. Nach einigen Tagen gab es im Lager eine Sensation. Paul Schneider war in Begleitung eines Scharführers von diesem zum Häftlings- revier gebracht worden, um behandelt zu werden. Er kam an meiner Arbeitsstätte vorbei, wir schauten ihm nach. Eine gebeugte Gestalt. Es schien, als ob seine Hände bis zu den Knien reichten. Er schaute uns mit entsetzten Augen an und ging weiter.
Ich holte mir am Abend dieses Tages von meinem Freund Franz Walgenbach, der als Sanitäter im Häftlingsrevier arbeitete, Auskunft über den Zustand von Paul Schneider , und darüber, was diese sonder- bare Art, ihn zur Behandlung nach dem Revier und wieder zurück zur Zelle zu bringen, zu bedeuten habe.
Ich gebe hier nun wieder, was Franz Walgenbach mitteilte: Paul Schneider war gesundheitlich in schlechter Verfassung. Er war stark herzleidend geworden. Seine Beine und Füße dick geschwollen, die Handgelenke vom Hochbinden hatten starke Schwellungen. Er be- kam bei diesem ersten Vorführen im Revier Fußbäder. Auf den gut- gemeinten Rat von Häftlingen, die mal einige Augenblicke mit ihm allein sein konnten, sein lautes Beten in seiner Zelle zu unterlassen, um sich den Mißhandlungen durch die SS zu entziehen, antwortete Paul Schneider , daß er nicht anders könne. Er müsse den gefolterten und gequälten Mitgefangenen Trost zusprechen, wenn sie in ihrer Verzweiflung stöhnten und jammerten. Paul Schneider wurde noch einige Male zum Häftlingsrevier geführt und bekam Heißluftbäder, die bei der eingetretenen Herzschwäche den sicheren Tod bedeuteten.
Ein Flüstern ging im Lager von Mund zu Mund: Paul Schneider ist tot. Er starb im Heißluftkasten. Ich sah, wie er zugedeckt auf einer Steinetrage von Häftlingen zum Tor getragen wurde. Hinter- her ging mit der Aktentasche unter dem Arm der Sturmführer Hack- mann. Das Todesurteil an Paul Schneider war vollstreckt worden. Er wurde aufgebahrt.„Ein wen’g Blumen drauf“ hatte der Lager- führer Rödl angeordnet. Es verlautet, daß Paul Schneiders Leiche überführt werden solle. Und so geschah es. Ein Leichenauto kam, die Gattin Paul Schneiders stand vor ihrem Toten. Das Direktorium des Mordgesindels von Buchenwald , der Lagerkommandant Koch, der Lagerführer Rödl und der Adjutant Jonny standen an der Bahre. Der Gattin Paul Schneiders erklärte der Lagerkommandant Koch, daß ihr Mann ein guter Häftling gewesen sei. Die Lagerführung habe alles versucht, um ihn am Leben zu erhalten, leider ohne Erfolg. Er sprach der schweigsamen Gattin„sein Beileid“ aus. Diese stand an der Bahre ihres Toten, dem Märtyrer Paul Schneider . Sie schaute sein Antlitz, nicht seine durch die Stricke geschwollenen Hand-
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