dauernden Hungergefühls nicht erwehren können." Wir sehen: Alles ist Staatsregie, was wir hier erdulden, die Führer des Staates sind sadistische Tyrannen.

Arbeitsscheu sind nach unseren Begriffen nicht diese körperlich und geistig Behinderten, die nun bettelnd die anderen Häftlinge um ein Stück altes trockenes Brot, um die Schalen der Pellkartoffeln an­flehen, an den Abfalltonnen und in den Müllgruben nach Eẞ­barem suchen, sondern arbeitsscheu sind die sattgefütterten SS - Leute, die der reellen Arbeit draußen im Lande aus dem Wege gehen und hier Verbrechen auf Verbrechen häufen. Sie sind Berufsverbrecher im wahrsten Sinne des Wortes.

Alles, was das Hitler- Regime inbezug der Konzentrationslager tut, ist, wie Hitler selbst immer wieder in seinen Reden betont: Aus­rottung und Vernichtung. Nur so ist es zu verstehen, wenn Häftlinge, welche 80 Jahre und darüber alt sind, als Arbeitsscheue eingeliefert werden. Wenn wir sie bei der Einlieferung betrachten, legen wir uns gegenseitig oft die Frage vor: ,, Wie lange gibst Du diesem noch?" Junge Menschen mit spindeldürren Beinen sollen hier unter Aufsicht der sattgefütterter SS das Arbeiten lernen. Wo sind die Begriffe der Vernunft, wo die Begriffe der Menschlichkeit, die in der Gesetz­mäßigkeit der Zivilisation ihren Ausdruck zu finden hat? ,, Humani­tätsduselei" sagt das Hitler- Regime und gibt sein Bekenntnis zu Grausamkeit und Verbrechen.

Die Unterbringung der ,, Arbeitsscheuen" ist die Schändlichkeit selbst. In aller Eile ist eine große Baracke unterhalb der anderen Baracken aufgeschlagen, in der fast alle Inneneinrichtung fehlt. So hausen sie und so sterben sie massenweise.

Ich verlasse diesen Abschnitt und greife zurück in die Tage des April. Ich glaube wohl, daß es der Geburtstag Hitlers war. Wir waren auf dem Appellplatz angetreten und zogen beim Hochgehen der schwar­zen SS - Flagge wie üblich und auf Kommando ,, Mützen ab" gehor­samst die Mützen von unseren kahlgeschorenen Köpfen. Es war auf­gefallen, daß ein Häftling den Kopf nicht entblößt hatte. Dieser Häftling war der evangelische Pfarrer Paul Schneider . Er gehörte zu unserem Block, und wenn ich mich heute noch seiner erinnere, so bleibt das Andenken bestehen an einen guten Kameraden, den Mär­tyrer seiner religiösen Anschauung, ein zu Tode gefoltertes Opfer der Nazi- Bestien. Ich lernte ihn kennen, als wir an den SS - Kasernen ausschachteten. Wir führten wie immer diese Arbeit unter Aufsicht der jungen Schlackse der SS aus. Er arbeitete neben mir und wenn ich manchmal nicht mehr so recht mitkonnte, dann griff er mit seiner Schaufel zu mir herüber, um mir zu helfen. Er war wohl Anfang 40, hatte eine mehrköpfige Familie. Ich habe aus den Unterhaltungen mit ihm mir zwei Ortsnamen gemerkt, Pferdsfeld und Dickenschied , den Geburtsort und den Wirkungsort, um mich in späterer Zeit nach ihm

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