Abschuẞwild zu dienen. Die allgemeine Frage, die abends nach dem Einrücken der Kolonnen aufgeworfen wird, ist: ,, Wieviel Tote hat es heute im Steinbruch gegeben?"
Einen Tag lang habe ich die Loren ziehen helfen. Die Temperatur steht an dem Gefrierpunkt; es gibt gefrorene und schlüpfrige Stellen. Mehrmals bin ich hingerutscht, habe aber den guten Rat der Kameraden befolgt, den Knüppel nicht loszulassen. Es hat nur Tritte und Stöße gegeben. Nach der Meinung der Kameraden waren diese Posten noch anständig, denn sie haben ja nicht geschossen.
Die Kameraden aus meiner näheren Heimat legen noch am selben Abend bei dem Vorarbeiter des Steinbruchs, einem politischen Häftling mit mehrjähriger Konzentrationslagerzeit, ein gutes Wort für mich ein. Am nächsten Tage bin ich bei den Arbeiten im Steinbruch selbst. Wir brechen mit drei Mann an einer Ecke die großen Brocken aus dem Felsen heraus. Nachdem wir ein wenig miteinander Fühlung bekommen haben, lerne ich in dem einen den bekannten Reichstagsabgeordneten Walter Stöcker kennen. Wenn ich in früherer Zeit oft in den Zeitungen seine Reichstagsreden las und mir darauf gestützt eine Vorstellung über sein Wesen und sein Aeußeres bildete, so bin ich etwas enttäuscht. Hier lerne ich den feinnervigen sensiblen Menschen kennen, dem man vom ersten Augenblick an zugetan sein muß. Er scheint leidend zu sein. Wir arbeiten und bücken uns, haben recht viel Gelegenheit miteinander zu sprechen. Von Zeit zu Zeit durchstreifen einige Scharführer den Steinbruch. Wir schauen nur versteckt nach ihnen. Sie suchen sicher ein Opfer, dessen Namen ihnen vom Kommando aufgetragen worden ist. Und niemand weiß, wer an der Reihe ist. Im Steinbruch habe ich etwa 14 Tage lang gearbeitet. In dieser Zeit sind zwölf Kameraden dort umgebracht worden. Meistens geschieht es auf folgende Weise:
Bei dem Tragen der Steine nach den Loren wird von dem Häftling, der nun sterben soll, verlangt, daß er nicht einen leichten, sondern dort den schweren Stein nehmen soll. Er wird als Drückeberger bezeichnet, geschlagen, gestoßen und getreten. Dann muß er einen schweren Stein aufheben, und wenn er es nicht kann, heben zwei Scharführer ihm den Stein auf die Schulter, unter dem er zusammenbricht. Nun hat er ja den Stein hingeworfen und will nicht. Unter fortwährenden Mißhandlungen wird das Experiment noch einige Male wiederholt, bis er versucht, fortzulaufen. Die vorher unterrichteten Posten warten auf diesen Augenblick und dann krachen die Schüsse. Das Dritte Reich wächst ja im Blute seiner Opfer. Und wieder ist ein Menschenleben ausgelöscht.
Meine Freunde haben es fertig gebracht, mich auf illegalem Wege aus dem Steinbruch herauszuziehen. Ich arbeite im Lager beim Baumstumpfroden. Der Appellplatz soll größer gemacht und gepflastert werden. Baumstümpfe werden entfernt. Einzelne Bäume sind stehen
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