Nun war Bert am Fenster angelangt, das wegen des notwendigen Luftwechsels bei soviel zusammengepferch- ten Menschen stets weit geöffnet war. Ohnehin waren durch das diffuse Licht im Raum die Gesichter der länger Inhaftierten käsebleich... in seine Züge war jetzt ein gequälter Ausdruck gekommen, den er gern verbarg. Denn das weitere Ausbleiben seines Entlassungsscheines machte ihn allmählich doch sorgenbelastet und Böses ahnend.
Aber es blieb ihm halt nichts anderes übrig, als sich mit eiserner Geduld zu wappnen und noch einmal das übliche Abendprogramm in der Zelle durchzukosten: die karge Abfütterung mit etwas dünner Suppe und her- nach das Ausstrecken auf dem fleckigen, staubigen, ver- legenen Strohsack... oh, ihr schönen Träume von der Freiheit tretet nochmals etwas zurück! Ihr wißt ja: ‚Ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt— und ein Bett- ler wenn er nachdenkt...‘ läßt Hölderlin seinen Hype- rion sprechen.
Der nächste Tag, der ı. September 1939, verlief aber nicht besser. Hofbauer wurde zwei Tage lang durch andere Aufseher vertreten, die überhaupt von nichts über Bert wußten und nur grob wurden, wenn er sie darüber ausfragen wollte.... Er tröstete sich damit, daß der ominöse Schein ja jede Minute eintreffen müsse. Seine Sachen hielt er ständig zum Abmarsch in die Freiheit bereit.
Doch am nächsten Tage schlug die Bombe ein. Der neue Krieg war durch die Erklärung Englands, der sich bald Frankreich anschloß, ausgebrochen.
„Ja— wundert Sie das?‘ sprach Bert zu Dr. Fellner, dem Arzt an seiner Seite. ‚‚War denn nach den fort- gesetzten Schlägen ins Gesicht der Umwelt etwas anderes zu erwarten? Im Gegenteil: ich stutzte immer nur, daß der fremden Diplomatie der Geduldsfaden nicht schon längst gerissen ist— na, nun haben wir die Bescherung wiedermal!‘
Immerhin warf ihn die unumstößliche Tatsache einer Wiederholung all der Schrecken eines neuen Weltkrieges


