Dr. Goldschmidt, Dr. Stargardt, Fräulein Frankau, Fräulein Dinter, Dr. Kobrak, RA. Wollstein und die Herren Proskauer und Wachs. Dr. Goldschmidt eröffnete die Sitzung mit Rechtsausführungen über die hiesige evangelische Gemeinde. Er führte aus, daß wir weder ein Verein im Rechtssinne, noch eine Korporation oder sonst irgendwie rechtlich anerkannte Gemeinschaft seien, sondern daß wir lediglich rein tatsächlich sowohl von der bisherigen ,, Lagerkommandantur" wie von der Jüdischen Leitung hierselbst geduldet.würden. Er, Dr. Goldschmidt, der die ganze Sache aus kleinsten Anfängen gebildet und durchgeführt habe, sei für alle Angelegenheiten unserer Gemeinde ausschließlich ver­antwortlich. Es müsse alles vermieden werden, was nach irgendeiner Seite Anstoß erregen könne.

Er bat dann Dr. Stargardt, die weitere Leitung der Besprechung zu übernehmen. Dr. Stargardt tat das, indem er zunächst Dr. Goldschmidt für seine klaren und wichtigen Ausführungen dankte; niemand sei mehr als er, der ehemalige Oberlandesgerichtsrat in Hamburg und nun seit über Jahr und Tag der Seelsorger unserer Gemeinde, berufen, die Rechts­lage unserer Gemeinde zu erläutern. Dann wies Dr. Stargardt darauf hin, daß die Absicht, hier einmal eine Besprechung der Vertreter unserer Gemeinde herbeizuführen, schon vor dem vergangenen Mittwoch be­standen habe, daß aber nun Veranlassung sei, auch den Vorfall am vorigen Gemeindeabend in unsere Besprechung einzubeziehen. Bisher sei unsere Gemeinde in schönster Harmonie gewesen; jetzt sei zum ersten Male ein Miẞklang hineingekommen oder gar, wie andere es genannt hätten, ein Zwiespalt", und wir müßten daher sogleich alles tun, um diesen Miẞklang zu beseitigen. Dr. Kobrak habe im Anschluß an den neulichen Vortrag des Dr. Hamburger gewünscht, daß auch einmal je­mand anders am Sonntag predige als Dr. Goldschmidt; andere hätten auch den Wunsch. Dr. Kobrak verlange, daß auch einmal ein Vertreter der ,, B.K." predigen müsse. Dr. St. führte aus, daß niemand mehr als er selber ein treues Mitglied der ,, B.K." von der Geburt der, B.K." an sei; als Mitglied des Dahlemer Helferkreises, als Freund der Familie Niemöller und als Bekannter und Verehrer vieler anderer führender Männer der B.K. brauchte er das nicht weiter zu betonen. Aber es sei ganz unwichtig, daß hier gewünscht werde, es solle auch einmal ein Ver­treter der ,, B.K." als solcher predigen. Die ,, B.K." sei ja keine Sekte, sondern im Gegenteil der Zusammenschluß aller auf dem Boden des reformatorischen Bekenntnisses stehenden Evangelischen Christen Deutsch­ lands und seiner Nachbarländer, und es würde die führenden Männer der ,, B.K." höchlich wundern, wenn sie hörten, daß hier in Theresien­stadt in unserem evangelischen Gottesdienst statt des treuen, bewährten, völlig auf dem Boden des reformatorischen Bekenntnisses stehenden Seelsorgers Dr. Goldschmidt ein Vertreter einer anderen Richtung" predigen solle. Wolle man wirklich andere ,, Richtungen" predigen las­sen, dann könne morgen ein Calvinist und übermorgen ein Hussit, ein Zinzendorfer, ein Vertreter der Anglikanischen Hochkirche das Ver­

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