staunlich, über wieviel Geld beispielsweise die Russen verfügten, die uns oft entsprechende Angebote machten, welche zu ihrer großen Enttäu- schung abgelehnt wurden, was sie um so verständnisloser hinnahmen, da sie ja täglich sahen, daß der Kohlrabi von uns unentgeltlich weiter- gegeben wurde, Ein Russe, der völlig zerlumpt war seine Lagerklei- dung war sozusagen bis auf die Haut zerrissen und seine Schuhe wiesen handgroße Löcher auf zeigte mir einmal die Summe von über 2000 RM, die er in seiner Hosentasche mit sich herumtrug und meinte, dafür müsse er doch 1 bis 2 Pfund Brot oder einigeganze Zigaretten, die in Farge fast unbezahlbar waren, wo dieKippen, d. h. die abgerauchten Stum- mel, schon Goldwert hatten, bekommen können, Ich habe ihm darauf nur achselzuckend geantwortet, von mir könne er nichts erhalten. Einen Tag später zeigte er mir triumphierend 5 Scheiben trockenes Brot und 6 Ziga- retten, die er für seinen Papiergeldschatz, mit dem er allerdings in Farge auch sonst nicht das geringste anfangen konnte,gekauft hatte.

Die oft aufgeworfene Frage, wo eigentlich die Lebensmittelrationen der Lagerinsassen verblieben, die doch sämtlich ihre normalen Zu- teilungen an Brot, Fleisch, Fett, Nährmitteln und Kartoffeln, um nur die hauptsächlichsten zu nennen, zu bekommen hatten, war leicht zu be- antworten, wenn man sich öfter in der Nachbarschaft der Kommandan- tur-Baracke aufhielt. Was dort nur an Fleisch, Speck und Würsten hineingeschafft wurde, konnte mehrere große Fleischerläden füllen. Was in der Kommandantur-Baracke nicht verzehrt wurde, konsumierten die Wachleute, und was auch die nicht aufessen konnten es war ja bei- spielsweise für die höchstens 20 Wachleute unmöglich, die Nährmittel- und Kartoffelrationen von vielen hundert Häftlingen zu verzehren ist ohne Frage in irgendwelche dunklen Kanäle gelangt,

8. Oifizielle und inoffizielle Post.

Bei unsererFestnahme im Gestapogebäude waren uns für unseren Arbeitseinsatz 3Freiheiten verheißen worden, nämlich die Möglich- keit, auf der Arbeitsstätte Besuch von Angehörigen zu empfangen, ferner Heimaturlaub und ungehinderter Brief- und Paketverkehr mit zu Hause, Davon, was es mit diesenFreiheiten im weiteren Verlauf unserer Verbannungsfahrt auf sich hatte, wird später noch zu berichten sein, In Farge waren die fraglichen Freiheiten alle drei grundsätzlich nicht vorhanden,

Urlaub konnte es hier natürlich nicht geben, es sei denn, daß im einzelnen Falle die Willkür der Lagerleitung oder die besondere Schlau- heit des Einzelnen, der irgendeine besondere Lage auszunutzen wußte, zu einer Ausnahme führte, Beispielsweise hatte einer unserer Schick- salsgenossen das Glück, sich im Zeitpunkt seinerEinberufung gerade in ärztlicher Behandlung zwecks Herstellung einer Zahnprothese zu be- finden, Da eine solche Spezialbehandlung, wenn sie in Bremen begonnen war, auch dort zu Ende geführt werden mußte und der Kommandant in diesem Falle auch keine Einwendung erhob, weil der Betreffende es

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