Bei diesem Besuch erhielt ich auch endlich die lang er­sehnte Kennkarte. Auch das war eine große Enttäuschung, der Stempel ist so schlecht gemacht, daß selbst ein Laie ihn als falsch erkennen kann! Also ist das viele Geld nutz­los herausgeworfen, die Kennkarte als Ausweis nicht zu gebrauchen! Onkel Karl ließ mir von einem zuverlässigen Bekannten, der etwas davon versteht, bestätigen, daß es gefährlich sei, diese Kennkarte vorzuzeigen. Ich bin recht niedergedrückt und sehe vorläufig keinen Weg für mich.

Aber es ist leichter, in einer Gemeinschaft von Leidens­gefährten solche trüben Stimmungen zu überwinden als ganz allein. Wenn ich sehe, wie tapfer und heiter Evchen immer wieder und bisher stets vergeblich versucht, für Herbert und sich einen Weg aus Deutschland heraus zu finden, wie Lotte sich bemüht, uns ihre Sorgen und die Aussichtslosigkeit ihres Schicksals nicht merken zu lassen, nehme auch ich mich zusammen.

Berlin , den 28. Februar 1943

Gestern bei Erna hoffte ich Nachricht von Frau Hopf über Peter Merkel zu finden, aber sie hatte sich nicht gemeldet. Auf dem Heimweg packte mich der Mut der Verzweif­lung, und in der Halle des Untergrundbahnhofs ging ich kurz entschlossen in eine öffentliche Telephonzelle, um bei Merkels anzurufen. Sie hatten noch die alte, uns vertraute Nummer, zweimal versuchte ich vergebens, jemanden zu erreichen, die Leitung war besetzt. Draußen wartete ein junges Mädchen, ich ließ es in die Zelle, um noch etwas zu warten. Zunächst hatte es ebenso wenig Glück mit sei­nem Gespräch wie ich. Es hängte den Hörer ein, kam her­aus und überreichte mir lächelnd meine Handtasche, die ich drinnen liegen gelassen hatte. Als es nach meinem zwei­

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