eine Komödie aufzuführen, die das Fehlen jeglicher Aus­weispapiere erklären sollte. Die Bremsen knirschten, der Zug hielt im wohlbekannten Anhalter Bahnhof ! Hell flutete die Sonne des schönen Augusttages trotz der trüben ruẞ­geschwärzten Bahnhofsfenster in die Halle. Viel zu hell war es für mich, um durch die Straßen zu gehen! Ich lieẞ den Strom der Reisenden an mir vorüberziehen und ging lang­sam unter den Nachzüglern bis an die Treppe, die zur Halle und von dieser auf die Straße führte. Wo sollte ich mich aufhalten, bis die Sonne sank? Zunächst hatte ich das Bedürfnis, mich gründlich zu reinigen. Es machte mir nichts aus, daß vor dem Frauen- Waschraum eine ganze Anzahl Menschen warteten. Ich hatte ja Zeit im Ueberfluß, eine merkwürdige Tatsache nach den mit Arbeit bis zum Rande erfüllten Monaten, ja Jahren, die hinter mir lagen! Aber schließlich war die Reihe an mich gekommen, niemand mehr hinter mir. In aller Ruhe und Ungestörtheit konnte ich den Reisestaub von Gesicht und Händen waschen. Doch als ich herauskam, war es immer noch lichter Tag. Ich setzte mich in der Halle auf eine Bank und nahm mein Buch vor.

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* Im April 1945, fast ein Jahr nachdem ich in die Schweiz ge­kommen war, erfahre ich, was sich in München nach meiner Flucht abgespielt hat: Mit dem Transport der 1200 Juden aus Theresien­stadt war auch die mir nahverbundene Sekretärin des jeweiligen Vor­sitzenden der Münchner Kultusgemeinde in der Schweiz gelandet, wo wir uns wiederfanden! Nach ihrem Bericht war mein Verschwin­den aus München eher entdeckt worden, als Frau Dr. Weiß und ich gerechnet hatten. Doch meldete man mich erst nach drei Tagen der Gestapo als vermißt, die sofort in den Zügen München - Berlin nach mir fahnden ließ. Aber ich war ihnen entschlüpft. Leider fand man statt meiner einen schon vor Wochen vor der Deportation nach The­resienstadt geflohenen jüdischen Mischling, einen Krankenwärter aus dem Münchner jüdischen Krankenheim, den man triumphierend nach München zurückbrachte. Er floh bald darauf ein zweites Mal, wurde Mein Name sei wieder gefaßt und sofort nach Polen deportiert. dann, nach der ersten fruchtlosen Fahndung, kaum je wieder von der Gestapo erwähnt worden.

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