den Versuch zu machen, ihr diesen Entschluß auszureden, er sei unumstößlich, ich solle versuchen, sie zu verstehen. Sie sei zu schwach, körperlich und seelisch, um neuen An­strengungen gewachsen zu sein, sie würde für ihre Gefähr­ten nur eine Belastung werden. Das wollte sie nicht, und sie sei so unaussprechlich müde, daß sie sich schon jetzt auf den Schlaf freue, aus dem es kein Erwachen mehr gebe. Nicht wahr, ich werde ihn ihr gönnen? Sie habe auch nicht gehen wollen, ohne mir zu danken ich wehrte ab, nein, ich müsse schon erlauben, daß sie das ausspreche. Es sei ihr ein ganz starkes Bedürfnis, das zu tun.-

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Ich kann nicht weiter schreiben. Natürlich habe ich es nicht über mich gebracht, ihr abzureden. Sie sprach so fest, ja heiter von diesem Entschluß, ich fühlte keine Ermächti­gung, etwas gegen ihre wohlerwogenen Gründe vorzu­bringen, es wäre mir wie leeres Geschwätz vorgekommen.

Ihre Zimmergenossinnen verlassen alle sehr früh ihr Zimmer, sie werden keinen Verdacht schöpfen, wenn sie ruhig schlafend liegen bleibt. Im Laufe des Vormittags werde ich sie dann aufsuchen müssen und Dr. Kupfer, unseren Arzt, verständigen. Ich halte ihn für einsichtig ge­nug, keine Versuche zu machen, sie ins Leben zurückzu­rufen. Es ist der erste Selbstmord, der im Heim vorkommt. Bisher war ich stolz darauf, daß noch keiner zu verzeich­

nen war.

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Mir ist das Herz so schwer, wie ich es nicht ausdrücken kann. Wie soll es weitergehen?

Berg a. Laim, Sonntag, den 26. Juli 1942

Mein Leben ist zur Hölle geworden; ich schleppe mich nur noch mühsam durch die Tage. Woche für Woche kommt am Freitag die Liste der zu Deportierenden, und

13 Behrend, Ich stand nicht allein

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