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Unser Heim ist nun bis auf wenige Plätze voll belegt, ich habe unendlich viel Arbeit. Jetzt zeigt es sich, wie gut es war, zunächst durch den Aufruf von Freiwilligen eine kleine Elitegruppe zu schaffen, die die Leitung in ihrer Arbeit unterstützt. Daß es, bei so enger Belegung, bei Men­schen, die durch Aufregungen, Demütigungen, Trennung von nahen Angehörigen, schwerer täglicher Arbeit, ständig Reibereien und Schwierigkeiten gibt, ist selbstverständlich. Aber mit unerschütterlicher Ruhe, Geduld und Freundlich­keit haben wir noch immer eine Einigung erzielt. Das ist eine Hauptaufgabe des Hauptlehrers bei den Männern, die er zu lösen versteht. Mit den Frauen werde ich gut fertig. Mühe macht mir, genügend viel Frauen für alle Reinigungs­und Küchenarbeiten zu finden, ohne einzelne von ihnen zu überlasten. Wir hatten bisher zweimal Revisionen, die erste Anfang September vom Obersturmführer Muggler, bei der er sich befriedigt äußerte, die zweite vor einigen Tagen durch ihn und den Hauptsturmführer Wegner, den ich seit meinem Besuch in der Widenmayerstraße nicht wieder gesehen hatte. Ich merkte ihm beim Durchgehen an er hatte die Heimanlage noch nicht in Betrieb gesehen daß er brennend gern etwas gefunden hätte, was ihm An­laẞ zum Schimpfen und Toben gegeben hätte! Aber das Haus präsentierte sich fabelhaft wieviel schwerer wäre solch ein Eindruck bei einem älteren, weniger schön ge­bauten Haus zu erzielen!- er fand nichts zu beanstanden. Wir haben im oberen Flurende des ersten Stockwerks eine Art Nähstube mit mehreren Nähmaschinen eingerichtet, die aber immer erst am Nachmittag in Betrieb ist, weil am Vormittag alle verfügbaren Kräfte in der Küche und zur Reinigung des Hauses eingesetzt werden müssen. Froh, endlich etwas gefunden zu haben, erklärte der Hauptsturm­führer, in Zukunft müßte in der Nähstube auch vormittags gearbeitet werden, obwohl wir ihm sehr genau erklärt hat­ten, warum das nicht der Fall war. Nun gut, er soll seinen Willen haben: in Zukunft werden, wenn Revision kommt,

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