Natürlich war das Maß politifcher Aktivität bei den Einzel nen völlig verfchieden gewefen. Es gab Leute unter uns, die viel mehr wußten und getan hatten, als man herausge bracht hatte, obwohl man mit Schlägen und Folterungen nicht kargte; und es gab gänzlich Harmlofe, die nur dem fchrecklichen Mißtrauen des Dritten Reiches zum Opfer ge fallen waren.

Gerade unter ihnen waren einige, deren Schickfal die miẞ­trauifche Graufamkeit jeder Diktatur erschütternd illuftriert. Die meiſten hatten fich an Erwägung darüber beteiligt, was werden follte, wenn einmal der längst erwartete Zufam menbruch eingetreten wäre. In den Augen der Hüter des Dritten Reiches war das natürlich ein todeswürdiges Ver brechen; denn das Dogma des Dritten Reiches verlangte den Glauben an die Ewigkeit diefer Inftitution.Wer alfo un vorsichtig genug war zuzugeben, daß er fich an folchen Er wägungen beteiligt hatte, verfiel dem Zorn Freislers und dem Strick des Henkers. So widerfuhr es dem alten Baurat z. N., mit dem Goerdeler gelegentlich folche Dinge erörtert hatte, der aber im übrigen von Goerdelers Plänen keine Kenntnis befeffen hatte. Seine Hinrichtung war ein graufa mer Juftizmord.

Aber hier hatte ich Zeit genug, um mir über die Kraft und den gefchichtlichen Auftrag der innerdeutfchen Oppofition Gedanken zu machen.

Ich war ihren Führern bekannter, als ich wußte. Viele von ihnen pflegten meine Gottesdienfte zu befuchen; fo war, wie ich erft hier im Gefängnis erfuhr, Beck mit mehreren feiner Kameraden in meiner Predigt zu Neujahr 1944 gewefen. Manchen von ihnen bin ich feelforgerlich näher gekommen, und die Bitte eines der am erften Verurteilten, ich möchte ihm vor der Hinrichtung das Abendmahl reichen, hat nach

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