meiner Schicksalsgefährten. Und wenn ich es müßte und könnte, hielte ich wohl auch noch den Atem an. Nun knarrt es wieder in den Laut­sprechern und dann: ,, Augen- gerade-- aus! Rührt euch!" Und augen­blicks kommt wieder die verhaltene Bewegung in die Blocks. Ich höre, wie jemand vor mir sagt: ,, Na, das hat ja heute mal geklappt. Verdammt kalt heute. Soll der Teufel den ganzen Zinnober holen."

Wieder knarrt der Lautsprecher: ,, Zugänge ans Tor! Arbeitskomman­dos antreten!" Wie auf einen Schlag kommt lebhafte Bewegung in die Massen, alles scheint durcheinander zu laufen. Es ist wie in einem plötz­lich aufgescheuchten Bienenschwarm, aber dennoch, es ist kein Durch­einander, und schon nach wenigen Tagen beobachte ich, wie schnell und sicher sich die Zehntausende neu gruppieren.

Mir ist gesagt worden, daß ich mich sputen müßte, ans Tor zu kom­men, denn der Arbeitsdienstführer SS. - Hauptscharführer Bräuning liebt es, die Zugänge, die nicht augenblicks am Tor sind, besonders schweren Arbeitskommandos zuzuteilen, und ist wegen seiner brutalen Faustschläge und Fußtritte allgemein gefürchtet. Ich nehme deshalb meine Beine in die Hand und laufe den Appellplatz hinauf. In der Nähe des Mikrophons haben sich schon verschiedene Zugänge aufgestellt. Ich gruppiere mich zu ihnen, auf Anraten von Mithäftlingen im zweiten Glied, denn dort bin ich nicht in unmittelbarer Reichweite der Faust­schläge des SS. - Mannes, aber andererseits doch wieder so weit vorne, daß ich mich eventuell zu einem weniger gefürchteten Arbeitskommando drängen kann.

Doch meine Vorsicht ist umsonst. Bräuning ist nicht da. Er ist schon auf Weihnachtsurlaub. Der SS.- Scharführer, der ihn vertritt, sagt uns, daß wir uns am Tag nach dem Fest erneut mit den Zugängen am Tor zu melden hätten, und überweist uns zunächst geschlossen zum Arbeits­kommando ,, Garagenneubau".

Ein Häftling, der eine Armbinde mit der Aufschrift ,, Kapo " trägt, nimmt uns in Empfang und führt uns wieder den Appellplatz hinunter nach der Stelle, wo sein Arbeitskommando angetreten ist, das aus etwa tausend Häftlingen besteht. Er gruppiert uns in die Kolonne ein und sagt uns, daß wir gleich beim Marsch durchs Tor vor allem auf Gleich­schritt, Vordermann und Seitenrichtung zu achten hätten. Wer es nicht täte, würde sein blaues Wunder erleben und könne froh sein, wenn er mit einigen Kolbenstößen oder Schlägen über den Schädel statt mit Fünf­undzwanzig, Torstehen oder einer Freiluftpartie am Baum davonkäme.

Vor uns in der Kolonne stehen einige entsetzlich ausgemergelte Häft­linge, stumpfsinnig ergeben, mit hochgezogenen Schultern, frierend, und

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